WEG: BGH Urteil vom 09.02.2024, Aktenzeichen: V ZR 33/23 Bauliche Veränderungen nach § 20 Abs. 2 WEG
Zoi von Steengate
1. Sept. 2024
3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Sept. 2024
Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 9. Februar 2024 (Az. V ZR 33/23) behandelt die rechtlichen Grundlagen und Grenzen der Kompetenzen von Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) bei der Beschlussfassung über bauliche Veränderungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage, unter welchen Voraussetzungen bauliche Maßnahmen, die von einzelnen Wohnungseigentümern gefordert werden, von der Gemeinschaft genehmigt werden dürfen und inwiefern solche Maßnahmen das Gesamtbild einer Wohnanlage grundlegend verändern dürfen.
Grundsatz: Bei einer Anfechtungsklage gegen einen Beschluss, der eine bauliche Veränderung nach § 20 Abs. 2 WEG genehmigt, müssen nicht die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 WEG im Detail geprüft werden. § 20 Abs. 4 WEG setzt zwar Grenzen für bauliche Veränderungen, diese sind jedoch eng auszulegen. Der Beschluss ist nur dann für ungültig zu erklären, wenn die Maßnahme entweder eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage zur Folge hat oder einen Wohnungseigentümer ohne dessen Einverständnis unbillig benachteiligt.
Zitierhilfe: (vgl. BGH Urteil v. 09.02.2024, Az. V ZR 33/23)
Sachverhalt
Die Kläger und die Streithelferin der Beklagten sind Mitglieder einer WEG, die aus einem Gebäudekomplex mit drei Häusern besteht. Die Erdgeschosswohnungen dieser Häuser sind jeweils mit Sondernutzungsrechten an den rückwärtigen Gartenflächen verbunden, auf denen Terrassen errichtet werden dürfen. Die Streithelferin, Eigentümerin einer der Eckwohnungen im Erdgeschoss, beantragte den Bau einer barrierefreien Rampe, die Errichtung einer aufgeschütteten Terrasse sowie den Austausch eines Wohnzimmerfensters durch eine Tür. Diese baulichen Veränderungen wurden in einer Eigentümerversammlung im Oktober 2021 als privilegierte Maßnahmen nach § 20 Abs. 2 WEG genehmigt.
Entscheidungsgründe der Vorinstanzen
Das Amtsgericht Bonn erklärte den Beschluss der Eigentümerversammlung für ungültig, da es die Ansicht vertrat, die genehmigte bauliche Maßnahme führe zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage im Sinne von § 20 Abs. 4 WEG. Auch das Landgericht Köln bestätigte diese Entscheidung in der Berufung. Beide Gerichte sahen in der Baumaßnahme eine erhebliche Veränderung des Charakters der Wohnanlage, die mit einer unzulässigen Bevorzugung der Erdgeschosswohnungen einherging.
Rechtliche Würdigung durch den BGH
Der BGH hob die Urteile der Vorinstanzen auf und wies die Klage ab. Der Senat stellte klar, dass § 20 Abs. 4 WEG zwar Grenzen für bauliche Veränderungen setzt, diese jedoch eng auszulegen sind. Insbesondere sei die vom Gesetzgeber gewollte Privilegierung bestimmter baulicher Maßnahmen, wie etwa der Barrierefreiheit, zu berücksichtigen. Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage im Sinne von § 20 Abs. 4 Halbs. 1 WEG sei typischerweise nicht anzunehmen, wenn die Maßnahme der Erfüllung eines Zwecks nach § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG dient.
Prüfungsmaßstab bei Anfechtungsklagen
Der BGH betonte, dass bei einer Anfechtungsklage gegen einen Beschluss, der eine bauliche Veränderung nach § 20 Abs. 2 WEG genehmigt, nicht die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 WEG im Detail geprüft werden müssen. Stattdessen ist der Beschluss nur dann für ungültig zu erklären, wenn die Maßnahme entweder eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage zur Folge hat oder einen Wohnungseigentümer ohne dessen Einverständnis unbillig benachteiligt. Diese Rechtsauffassung stärkt die Position der WEG, indem sie den Gestaltungsspielraum der Eigentümer bei der Beschlussfassung erweitert und gleichzeitig die Umsetzung gesellschaftlich erwünschter Maßnahmen wie Barrierefreiheit fördert.
Beurteilung der baulichen Veränderung
Der BGH befand, dass die genehmigte Baumaßnahme keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage darstellt. Zwar könne durch die Errichtung einer Terrasse und einer Rampe der optische Eindruck einer Wohnanlage verändert werden, dies sei jedoch als Konsequenz der angestrebten Barrierefreiheit hinzunehmen. Der Senat wies darauf hin, dass es außergewöhnlicher Umstände bedurft hätte, um trotz der Privilegierung dieser Maßnahmen von einer grundlegenden Umgestaltung zu sprechen. Solche außergewöhnlichen Umstände lagen hier jedoch nicht vor.
Unbillige Benachteiligung und Bestimmtheit des Beschlusses
Das Gericht stellte zudem fest, dass durch die genehmigte Baumaßnahme keine unbillige Benachteiligung anderer Wohnungseigentümer vorliegt. Der Umstand, dass nur die Eigentümer der Erdgeschosswohnungen die Möglichkeit haben, ihre Wohnungen durch den Bau von Terrassen aufzuwerten, begründet keine unbillige Benachteiligung, da diese Ungleichbehandlung bereits in der Teilungserklärung angelegt ist.
Schließlich befand der BGH, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung hinreichend bestimmt ist und keine inneren Widersprüche aufweist. Die Lage und Größe der Terrasse sowie die baulichen Details wurden im Beschluss klar definiert, sodass die Maßnahme durchführbar ist.
Kommentare