Steuerrechtliche Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung: Ein Überblick über aktuelle Vorschriften und Förderinstrument
- Sarah von Steengate
- 29. Okt. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Nov. 2024
Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist ein bedeutendes Element der deutschen Altersvorsorge, das durch steuerliche Förderung besonders unterstützt wird. Mit dem Ziel, die Abdeckung durch die bAV zu steigern und ein höheres Versorgungsniveau zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung in den letzten Jahren zahlreiche Regelungen eingeführt und angepasst. Dieser Artikel beleuchtet die steuerlichen Regelungen, die Definitionen und steuerfreien Höchstbeträge sowie besondere Förderungen und Übertragungsoptionen der bAV. Die Erläuterung der steuerlichen Voraussetzungen und Anwendungsgrenzen der bAV zeigt die Komplexität und Vielschichtigkeit dieses Förderinstruments auf.
1. Einführung in die betriebliche Altersversorgung und ihre steuerliche Bedeutung
Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist in Deutschland ein wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge. Sie ergänzt die gesetzliche Rentenversicherung und dient zur Absicherung gegen biometrische Risiken, wie Alter, Tod oder Invalidität. Das Bundesfinanzministerium hat in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden in Deutschland Regelungen zur steuerlichen Förderung der bAV festgelegt, zuletzt konkretisiert durch Erlassschreiben vom 12. August 2021 und 18. März 2022. Ziel dieser Erlasse ist die Ausweitung der bAV-Abdeckung und die Sicherstellung eines stabilen Versorgungsniveaus für Arbeitnehmer.
2. Definition der bAV und Voraussetzung des biometrischen Risikos
Eine steuerlich anerkannte bAV liegt vor, wenn der Arbeitgeber seinen Beschäftigten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Beiträge oder Leistungen zur Absicherung mindestens eines biometrischen Risikos zusagt. Die Leistungen werden erst nach Eintritt eines biologischen Ereignisses, wie Alter, Tod oder Invalidität, fällig. Um eine steuerliche Förderung zu erhalten, muss die bAV dem im Betriebsrentengesetz festgelegten Versorgungszweck entsprechen und durch ein gesetzlich definiertes Ereignis ausgelöst werden. Diese Definition erlaubt die Abgrenzung zur privaten Altersvorsorge und anderen Vorsorgemodellen, die nicht an arbeitsvertragliche Regelungen und biometrische Risiken gebunden sind.
Das Alter gilt als maßgebliches Ereignis, bei dem die bAV mit dem altersbedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben fällig wird, und hierfür wird im Regelfall das 60. Lebensjahr angesetzt. Bei der Hinterbliebenenversorgung ist der Tod des Mitarbeitenden der auslösende Faktor, bei der Invaliditätsversorgung der Eintritt einer Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit. Arbeitgeber können ihre Zusage im Leistungsfall jedoch auch einschränken, beispielsweise auf Fälle schwerer Invalidität.
3. Steuerfreie Höchstbeträge und Abgrenzungen zu sozialversicherungsrechtlichen Grenzen
Der steuerfreie Höchstbetrag für Arbeitgeberbeiträge zur bAV beträgt 2024 bis zu 7.248 Euro und darf maximal acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung West nicht überschreiten (§ 3 Nr. 63 Satz 1 EStG). Für die Sozialversicherungsfreiheit gilt jedoch nur eine Grenze von vier Prozent. Da der Höchstbetrag ein Jahresbetrag ist, kann dieser bei einem Wechsel des Arbeitgebers erneut in Anspruch genommen werden.
Eine zentrale Bedingung für die steuerliche Förderung ist die Auszahlung der bAV-Leistung in Form einer lebenslangen Rente oder durch einen Auszahlungsplan mit anschließender Teilkapitalverrentung. Die Förderung setzt Arbeitgeberbeiträge voraus, selbst wenn der Arbeitgeber keine Versicherung abschließt, sondern lediglich als Beitragsschuldner agiert. Zusätzlich können Arbeitnehmer vermögenswirksame Leistungen mittels Entgeltumwandlung in eine bAV überführen, sofern tarifliche oder gesetzliche Vorgaben dies zulassen.
4. Abgrenzung zu anderen Vorsorgemodellen und zum begünstigten Personenkreis
Es handelt sich um eine bAV, wenn die Leistungen an Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses und zur Absicherung biometrischer Risiken gezahlt werden. Dagegen zählen Versorgungsleistungen an Ehepartner, Lebenspartner oder nichteheliche Lebensgefährten nicht als bAV, sofern kein Dienstverhältnis besteht. Die Steuerbefreiung für die bAV erstreckt sich auf alle Beschäftigten, unabhängig davon, ob diese in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind oder nicht. Entscheidend ist das Bestehen eines ersten Dienstverhältnisses, das auch geringfügige oder pauschalbesteuerte Arbeitsverhältnisse einschließt.
5. Steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse und Verpflichtung zur Sozialversicherungsersparnis bei Entgeltumwandlung
Sofern die bAV über eine Entgeltumwandlung finanziert wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet, einen zusätzlichen Zuschuss in Höhe von 15 % des umgewandelten Entgelts an die Versorgungseinrichtung zu leisten. Dieser Zuschuss ist jedoch auf den Betrag begrenzt, den der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung an Sozialversicherungsbeiträgen einspart. Diese Regelung wurde für ab 2019 bestehende und neue Vereinbarungen bereits angewandt, für vor 2019 geschlossene Vereinbarungen jedoch erst ab dem 1. Januar 2022.
6. Steuerliche Regelungen für Altzusagen vor 2005 und deren dauerhafte Steuerfreiheit
Für Altzusagen, also bAV-Zusagen, die vor 2005 getroffen wurden, gilt die steuerliche Pauschalbesteuerung nach § 40b EStG a. F., sofern vor 2018 mindestens ein Arbeitgeberbeitrag zur Altersvorsorge an eine Pensionskasse oder Direktversicherung geleistet wurde. Die Altregelung bleibt lebenslang gültig, selbst wenn es zu Änderungen oder einem Arbeitgeberwechsel kommt. In einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 1. September 2021 (VI R 21/19) wurde die unveränderte Gültigkeit dieser Altregelungen bestätigt.
7. Spezielle Förderung für Geringverdienende: Der bAV-Förderbetrag
Für geringverdienende Beschäftigte ist ein spezieller bAV-Förderbetrag vorgesehen, der 30 % des Arbeitgeberbeitrags umfasst, wobei der Mindestbeitrag des Arbeitgebers bei 240 Euro jährlich liegt. Der maximale Förderbetrag liegt bei 288 Euro, was einem Arbeitgeberbeitrag von bis zu 960 Euro entspricht. Dieser Förderbetrag wird dem Arbeitgeber durch Verrechnung mit der Lohnsteuer erstattet und ist für den Arbeitnehmer steuerfrei. Der bAV-Förderbetrag setzt ein erstes Dienstverhältnis voraus und greift nur für zusätzlich zum Arbeitslohn gezahlte Beiträge. Finanzierte Beiträge durch Gehaltsverzicht oder Eigenbeteiligung sind von der Förderung ausgeschlossen.
Die Förderung ist an eine Einkommensgrenze gebunden, die im jeweiligen Lohnabrechnungszeitraum zu prüfen ist und aktuell bei einem monatlichen Arbeitslohn von 2.575 Euro liegt. Gehaltssteigerungen können dazu führen, dass Arbeitnehmer den Anspruch auf diese Förderung verlieren.
8. Steuerliche Förderung von Nachzahlungen in die bAV
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses können steuerfreie Nachzahlungen an Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen für bis zu zehn Jahre der Beschäftigung erfolgen. Diese Nachzahlungsmöglichkeit greift auch, wenn während des Arbeitsverhältnisses kein steuerpflichtiger Arbeitslohn bezogen wurde, beispielsweise in Elternzeit. Hierbei ist der steuerfreie Höchstbetrag auf acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze pro Kalenderjahr begrenzt. Nachzahlungen können zum Beispiel für Zeiten der Elternzeit oder Auslandseinsätze genutzt werden.
9. Übertragung und Steuerfreiheit beim Arbeitgeberwechsel
Beim Wechsel des Arbeitgebers bleibt die Übertragung unverfallbarer Anwartschaften der bAV steuerfrei (§ 3 Nr. 55 EStG). Neben gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften sind auch vertragliche Anwartschaften steuerfrei übertragbar. Dies gilt ebenfalls für die Übertragung zwischen externen Versorgungsträgern, wie Pensionskassen, auch ohne Arbeitgeberwechsel. Sollte der aufnehmende Versorgungsträger Anpassungen vornehmen, wie etwa Beitragsanpassungen, bleibt die Steuerfreiheit der Übertragung unberührt.
Ebenfalls steuerfrei ist der Erwerb einer Rückdeckungsversicherung im Fall einer Insolvenz, wobei die späteren Leistungen zu sonstigen Einkünften führen.
10. Schlussfolgerung und zukünftige Entwicklungen
Die komplexen steuerlichen Regelungen der bAV bieten sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern umfangreiche Fördermöglichkeiten. Durch Anpassungen wie den bAV-Förderbetrag für Geringverdienende und steuerfreie Übertragungen wurde die Attraktivität der bAV erheblich gesteigert. Um die steuerlichen Vorteile der bAV optimal nutzen zu können, ist jedoch ein detailliertes Verständnis der komplexen Vorschriften und deren Anwendung unerlässlich. Künftige Änderungen in der Gesetzgebung oder durch Verwaltungserlasse könnten die Nutzungsmöglichkeiten der bAV weiterhin beeinflussen.
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